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Angelo R. Lacuesta and Book Cover Dog Iro

© Angelo R. Lacuesta; Milflores Publishing

Bei der 20. Ausgabe von Books at Berlinale, einer Kooperation zwischen der Frankfurter Buchmesse und der Berlinale, haben wir Angelo R. Lacuesta für ein Interview getroffen. Beim Event stehen zehn internationale Bücher mit Potenzial für Literaturverfilmungen im Mittelpunkt, die von Agent*innen und Verleger*innen vorgestellt werden.

Angelo Lacuesta begann schon in jungen Jahren zu schreiben und veröffentlichte sein erstes Gedicht im Alter von 15 Jahren und seine erste Kurzgeschichte 1995 im Philippine Graphic. Für seine Arbeiten in den Bereichen Drehbuchschreiben, Kurzgeschichten und Lyrik wurde er bereits mit dem National Book Award ausgezeichnet. 

Willkommen in Berlin, Angelo. Schön, dich kennenzulernen. Wie hast du die Books at Berlinale Veranstaltung erlebt?

Dankeschön! Das hier ist meine erste Books at Berlinale-Veranstaltung und meine erste Berlinale überhaupt. Es ist aufregend. Ich hätte nicht erwartet, dass der Raum so voll mit Leuten sein würde und es ist toll, dass es so viel Interesse an der Idee gibt, von der Literatur zum Film oder zu einer Serie zu wechseln. Das ganze Event ist sehr erfrischend und ich habe das Gefühl, dass es viel Hoffnung für Bücher gibt.

Wie war es für dich, dass jemand anderes dein Buch vorgestellt hat? 

Das ist eine gute Frage und lustig - denn ich hatte immer eine etwas andere Vorstellung davon, wie das Buch sein könnte. Wenn man sein Buch fertig hat, ist es gewissermaßen nicht mehr das eigene Buch. Ich habe natürlich volles Vertrauen in meine Verlegerin und in die Öffentlichkeit, also in die Leute, die das Buch lesen werden. Da gibt es eine Art Vertrauensverhältnis. Deshalb freue ich mich immer, wenn die Menschen eine ganz andere Sichtweise auf das Buch haben. Das führt immer zu einer reicheren Gemeinschaft.

Wir haben während des Pitches bereits kleine Teile aus dem Buch gehört - es gibt ein Monster, es gibt Folklore und ein bisschen Horror? Wie würdest du die Geschichte in deinen Worten beschreiben?

Ich würde es als eine Art politischen Body Horror (Genre) beschreiben, in dem es sowohl um Geschlechterpolitik als auch um traditionelle Kleinstadtpolitik geht. Die Politik des starken Mannes, die alle miteinander in Konflikt stehen und sich auf sehr physische und metaphysische Weise manifestieren. Also, ja, man braucht eben ein ganzes Buch, um das zu erklären, was ich meine - also habe ich ein Buch darüber geschrieben.

Du hast bereits Drehbücher, Kurzgeschichten und Romane geschrieben. Wie hat das die Arbeit an diesem Buch beeinflusst?

Wenn ich ein Drehbuch schreibe, versuche ich, es zuerst als Roman oder Kurzgeschichte zu differenzieren. Sonst fürchte ich, literarische Elemente zu verlieren. Schließlich möchte ich nicht etwas schreiben, das nur unterhält oder einer Art Formel folgt. Es ist sehr leicht, in diese Form zu verfallen, wenn man ein Drehbuch schreibt. Ich zwinge mich dann, die Geschichte wie ein Buch zu sehen, und die Geschichte wie einen Roman zu betrachten. Dann ist man gezwungen, sich mit Komplexitäten auseinanderzusetzen. Man ist gezwungen, sich mit Paradoxien zu beschäftigen.

All die Dinge, die man als Leser nicht erwartet, und die Dinge, die so menschlich sind und weniger zur Unterhaltung oder zur Befriedigung eines unsichtbaren Publikums gemacht wurden. Letzten Endes möchte ich selbst mit dem Geschriebenen zufrieden sein und natürlich meine Figuren zufriedenstellen und dafür sorgen, dass sie ihren eigenen Weg gehen.

Und das Schreiben einer Kurzgeschichte oder eines Romans hilft mir, genau das zu üben. Und es hilft mir auch, Disziplin zu gewinnen. Und eine Geschichte muss sich selbst entwickeln. Anstatt zu sagen, oh, lass uns das machen. Ich muss das fertigstellen, weil ich einen Abgabetermin für eine Sequenzbehandlung habe. Der Prozess ist also irgendwie anders.

Wie lange war der gesamte Erschaffungsprozess von der Geschichte zum fertigen Buch? Was war der Ausgangspunkt?

Ich glaube, der Ausgangspunkt war, dass die Geschichten einfach geschrieben werden, weil sie in meinem Kopf entstehen. Man kann also eine Geschichte in ein oder zwei Tagen schreiben. Und wenn man sich dann hinsetzt, um sie aufzuschreiben, verändert sich alles. Manchmal hat man am Ende etwas ganz anderes als zu Beginn. Aber wenn die anfängliche Idee, der Funke, die Kerngeschichte, die man beim ersten Mal im Kopf hatte, im langen, ausgeschriebenen Roman erhalten bleibt, dann gibt mir das ein bisschen Zuversicht. Es zeigt mir, dass ich richtig lag.

Aber ich habe auch immer ein bisschen Angst davor, festzustellen, dass es nicht funktioniert. Wie bei einer Kurzgeschichte, aber es funktioniert nicht, wenn man es ausschreibt, das Risiko ist immer da. Aber am Ende lohnt sich das Ganze immer, weil man etwas erfindet, das einem gefällt. Man denkt sich nicht etwas aus, nur weil man sich etwas ausdenken „muss“.

Hast du schon konkrete Bilder der Figuren im Kopf, wenn du an eine Adaption denkst? Vom Monster und den Frauen der Geschichte?

Ja, ich habe tatsächlich mit Bildern im Kopf angefangen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mir bestimmte Kunstwerke dafür anzusehen. Anstatt ein sehr grausames, westliches Monster wie einen Werwolf zu zeigen, habe ich mich von Künstlern wie Constantin Brâncuși inspirieren lassen, der sehr sanft und blass ist. Und von Künstlern wie Louise Bourgeois, die sehr feministische und wütende Kunstwerke geschaffen hat. Die visuelle Kunst hat die Figur des Monsters in meiner Vorstellung wirklich sehr beeinflusst, um es anders und einzigartig zu machen.

Könnte man also sagen, dass das Monster auch eine schöne Seite hat?

Ja, ganz genau. Das Monster ist eine schöne Kreatur. Das ist gewissermaßen auch der Kern der Geschichte, ein schönes Monster. Auch wenn es schrecklich entstellt ist, ist es ein Hybrid aus Mensch und Tier. Und wenn es der weiblichen Hauptfigur gegenübersteht, die eine schöne Frau ist, spiegeln sich beide gegenseitig. Sie sind beide Frauen. Und so sind sie beide auf ihre eigene Weise schön.

Hast du schon bestimmte Schauspieler*innen im Sinn?

Ich starte nie mit Schauspielern im Kopf. Ich trainiere mich als Romanautor gewissermaßen selbst: Ich finde, wenn man mit Schauspielern im Kopf anfängt, dann fängt man an, seine Figuren so zu verändern, dass sie zu dem Stil oder Aussehen des Schauspielers passen. Und das hemmt die Kreativität und den kreativen Prozess. Abgesehen von meiner Vorstellung überlasse ich alles andere dann den Produzenten.

Was sind mögliche Herausforderungen für den Film? Du sagtest, du hast die Geschichte aus der Perspektive eines Romanautors gedacht. Denkst du es gibt literarische Teile, die für einen Film herausfordernd sein könnten?

Das Herzstück des Films ist sehr schrecklich, ekelhaft und eine schreckliche Tat. Ich denke, das ist eine Herausforderung, denn ich möchte ja, dass es schrecklich, ekelhaft und entsetzlich ist. Aber ich möchte auch, dass es mit einer gewissen Zärtlichkeit behandelt wird, mit einer Art Verständnis dafür, dass die Menschheit schrecklich sein kann. Als Filmproduzent verzichte ich lieber auf den Einsatz von Computergrafik. Das ist nur ein Schritt weg von der KI. Ich möchte praktische Effekte und visuelle Effekte wie David Cronenberg verwenden. Echte Effekte und echtes Make-up. Das macht es realer. Und es ist ein großer Unterschied, ob Zuschauer diese Dinge als real betrachten oder merken, dass es eine gut gemachte Filmaufnahme ist.  

Das Monster selbst würde also nicht per Computergrafik erstellt werden, sondern wäre eine Schauspielerin?   

Ja, in meiner Vorstellung und in meinem Traum ist es eine echte Animatronic. Oder vielleicht eine Figur, die nicht echt aussieht und in der aber ein echter Schauspieler steckt. Das Monster muss in der Lage sein, komplizierte Gefühle zu zeigen - menschliche Gefühle. Stell dir beispielsweise einen Hund vor, der sich in einen Menschen verwandelt - diese Art von Verwandlung ist so schwierig und so menschlich, dass nur ein Schauspieler sie vollziehen kann.

Vielen Dank für all diese Einblicke, Angelo! Wir freuen uns schon sehr auf das Buch und wünschen dir eine tolle Zeit in Berlin!   

Interview von Lea Nordmann, PR Volontärin der Frankfurter Buchmesse.