Direkt zum Inhalt

 

Mkuki Bgoya betreibt einen der wenigen Verlage Tansanias. In seinem Heimatland möchte er eine Lesekultur in der Gesellschaft etablieren. Darüber berichtet er im Interview mit FAZ-Redakteurin Nicole Nadine Seliger.

Tansania ist kein einfaches Land für den Buchmarkt. Das gibt Mkuki Bgoya freimütig zu. Der Verleger aus dem ostafrikanischen Staat, der als Teilnehmer des Einladungsprogramms zur Buchmesse nach Frankfurt gekommen ist, spricht über eine Branche im Wandel. „Früher hatten wir eine starke Industrie, die vor allem Schulbücher veröffentlicht hat.“

Die Entscheidung der Regierung vor rund 15 Jahren, dass alle Schüler einer Jahrgangsstufe in Tansania mit dem gleichen, von der Regierung publizierten Buch lernen sollten, präge die Branche noch heute. Der Versuch, das Bildungssystem des Landes zu verbessern, habe seine Verlagswelt nachhaltig verändert. „Für fast alle Verlage, die sich auf diesen Markt verlassen hatten, gibt es kein Geschäft mehr.“ Noch seien etwa 50 Verlage in seinem Heimatland registriert, „aber nur drei bis fünf veröffentlichen wirklich regelmäßig Bücher“.

Einer von ihnen ist Mkuki na Nyota („Speer und Stern“), der Verlag, den Bgoyas Vater Walter 1981 gegründet hat. „In den ersten anderthalb Jahrzehnten haben wir uns auf Schulbücher konzen­triert, aber glücklicherweise haben wir dann angefangen, uns eine große Backlist aufzubauen“, sagt Bgoya. Er verlegt heute Romane und Biographien, Kinderbücher und Kunstbücher.

Bgoya glaubt, dass Wandel möglich ist

Etwa 30 bis 40 Novitäten bringt sein Verlag im Jahr heraus, 60 Prozent davon auf Englisch, 40 Prozent auf Kiswahili, auch Übersetzungen zwischen den beiden Sprachen gehören zum Programm. Seine Kunden leben zum großen Teil in Tansania und anderen afrikanischen Ländern, über die Zusammenarbeit mit dem African Books Collective erreicht der Verlag aber auch Leser in Europa und den USA. Die höherpreisigen Kunstbücher wiederum seien vor allem als „Coffeetable Books“ bei den Touristen beliebt, die das Land bereisten.

Dass die Menschen in Tansania lieber Sachbücher als Romane nachfragten, hänge mit der fehlenden Lesekultur Tansanias zusammen, so Bgoya. Viel werde als Pflichtlektüre in den Schulen gelesen, aber nicht in der Freizeit oder in Buchklubs. „Die Idee, Romane zum Vergnügen zu lesen und zu kaufen, ist nicht eta­bliert“, sagt er. „Ein Bestseller wäre hier ein Titel mit 1000 bis 2000 verkauften Exem­plaren.“ Trotzdem glaubt er, dass ein Wandel möglich ist. Auch deshalb hat sein Verlag das Programm um Audiobooks erweitert. „Niemand ist als Leser verloren. Wir glauben, dass Menschen in jedem Alter zu Lesern werden können.“

Diesen Weg geht das Verlagshaus auch mit seinem literarischen Programm für Kinder. 2021 wurde Mkuki na Nyota dafür auf der Kinderbuchmesse in Bologna als bester Kinderbuchverlag Afrikas ausgezeichnet. „Wir waren schon vorher respektiert in der Branche, aber der Preis hat uns ins Rampenlicht gestellt“, so Bgoya, dessen Verlag auch eine New-Adult-Serie publiziert. „Noch ist das kein großer Markt in Tansania“, sagt er. In der englischsprachigen Bevölkerung konkurriert der Verlag zudem mit importierten Titeln internationaler Verleger. „Die gleichen Bücher, die in Europa und Amerika gut laufen, werden auch hier gelesen.“ Es sei eine Herausforderung, mit Werken lokaler Autoren erfolgreich zu sein.

Auf der Buchmesse ist Bgoya mit anderen Teilnehmern des Einladungsprogramms in Halle 4.1, B 85 vertreten. „Ich freue mich auf den Austausch, möchte internationale Trends entdecken und mich mit Verlegern treffen, die aus Daressalam schwer zu erreichen sind.“ In der Küstenstadt am Indischen Ozean ist sein Verlag beheimatet. Bgoya, Jahrgang 1981, kehrte 2009 nach einem Grafikdesign-Studium in den USA und der Arbeit in Werbeagenturen zurück, um in das Unternehmen seines Vaters einzusteigen. „Ich wusste immer, früher oder später werde ich zurückkommen“, sagt er. Zunächst war er als Produktmanager zuständig für Produktion, Druck und Design, als sein Vater sich vor zwei Jahren zurückzog, übernahm Bgoya die Position des Geschäftsführers.

Aus dem kleinen Familienunternehmen ist mittlerweile ein Verlag mit 15 Mitarbeitern geworden, auch sein Vater, der einst Antoine de Saint-Exupérys „Le petit prince“ in Kiswahili übersetzte, unterstützt das Team weiterhin. „Ich glaube, er wird nie wirklich in den Ruhestand gehen“, sagt Bgoya und lacht.

Das Interview führte FAZ-Redakteurin Nicole Nadine Seliger; es wurde zuerst am 16.10.2024 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht: Verleger Mkuki Bgoya aus Tansania: „Niemand ist als Leser verloren“.(Öffnet neues Fenster)

Das Förderprogramm ermöglicht Verleger*innen aus sich entwickelnden Buchnationen die Teilnahme am weltgrößten Branchentreffen in Frankfurt. Es wird von der Buchmesse organisiert und vom Auswärtigen Amt gefördert. Mehr Informationen: https://www.buchmesse.de/foerderprogramme/einladungsprogramm