„Jede persönliche Begegnung war animierend.“
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Anfang Juli hat das Pitching-Event "Shoot the Book!", das internationale Verleger*innen und Filmschaffende auf der Suche nach gemeinsamen Projekten zusammenbringt, im Rahmen des Marché du Film auf dem Filmfestival in Cannes stattgefunden. Friederike Fuxen, Rights Director beim Loewe Verlag, hat zum ersten Mal an der Veranstaltung – organisiert von SCELF und dem Institut français und in Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse – teilgenommen. Von den 12 ausgewählten Titeln präsentierte sie mit "Ruby Fairygale" das einzige Kinderbuch und berichtet im Interview von ihren vielen schönen Erfahrungen und Begegnungen an der Croisette.
Sie haben zum ersten Mal an "Shoot the Book!" teilgenommen. Wie war die Atmosphäre?
Die persönlichen Begegnungen auf dem Filmfestival und die anschließenden Gespräche mit Film Professionals und Kolleg*innen aus der Buchbranche waren für uns ein großer Gewinn, die echte "Feel good"-Atmosphäre hat sich unter allen Teilnehmer*innen ausgebreitet. Jede persönliche Begegnung war animierend. Und der Austausch in der besonderen Atmosphäre vor Ort – zwischen allen Veranstaltungen, Diskussionen und Filmpremieren – führte in Gesprächen zu spannenden Überlegungen und der Entwicklung toller erster Denkansätze für eine filmische Umsetzung von "Ruby Fairygale", sogar im Hinblick auf Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Buchreihe. Nach der langen Zeit, in der wir auf Online-Meetings beschränkt waren, hallt dieses besondere Erlebnis deutlich nach. An die intensiven Brainstormings denke ich sehr gerne zurück und versuche, die dort gewonnenen Ideen für passende Pitchings zukünftig umzusetzen!
War das Ihr erster Pitch vor Filmemacher*innen oder haben Sie bereits an anderen Formaten teilgenommen?
Bei "Shoot the Book!" im Rahmen des Filmfestivals in Cannes waren wir das erste Mal vor Ort dabei, ansonsten nehmen wir immer gerne an den Pitches für mögliche Literaturadaptionen teil. Neben dem Filmfest München ist das beispielsweise die Berlinale oder das Deutsche Kinder Medien Festival GOLDENER SPATZ.
Wie haben Sie sich auf Ihren Pitch vorbereitet?
Besonders war, dass wir die Pitches in Kleingruppen über mehrere Online-Workshops gemeinsam entwickelt und vorbereitet haben. Daran schloss sich ein Videodreh an, dessen Anspruch ich gemäß der Rahmenveranstaltung "Hollywood-like" womöglich zu hoch angesetzt habe. Die Rechtevertreter*innen aus Frankreich haben ihre Videopitches allerdings in Zusammenarbeit mit SCELF, dem Verband französischsprachiger Verlage, in einem Filmstudio aufgenommen und den eigenen Anspruch an die Pitch-Produktion auch entsprechend in die Höhe geschraubt. Die Umsetzung des Pitches, der auf eine Online-Veranstaltung ausgerichtet war, brachte noch einige Herausforderungen mit sich. Nachdem der Set-Aufbau an einem See fertiggestellt war, zog ein Sturm auf und verhinderte den Dreh. Bei der Alternativ-Produktion im Verlagsgebäude zerbrach die Kamera. Trotz allen anfänglichen Schwierigkeiten konnte der Kurz-Pitch in einer Länge von zwei Minuten vor Ort in Cannes überzeugen.
Wie waren die Reaktionen?
Da wir mit dem einzigen Kinderbuch vertreten waren, freuen wir uns sehr über das große Interesse an "Ruby Fairygale", sowohl national als auch international. Auf die Einschätzungen der prüfenden Produktionsfirmen bin ich sehr gespannt, beschäftige mich aber schon mit dem ersten Exposé für eine mögliche Umsetzung durch eine europäische Regisseurin. Durch den Austausch in Cannes habe ich viele Produzent*innen aus dem Ausland kennengelernt, das ist für einen Kinder- und Jugendbuchverlag besonders spannend im Hinblick auf erfahrungsgemäß aufwendige Dreharbeiten und Animationen, die für einige Buchreihen aus unserem Programm erforderlich wären. Besonders schön an den Gesprächen in Cannes war zu erfahren, dass viele unserer Titel wenig landestypische Aspekte enthalten und global funktionieren können. Beispielsweise "Ruby Fairygale" spricht jedes Kind an. Der Eintritt in eine fantastische Welt und Rubys damit verbundenen Abenteuer haben das Potenzial für eine internationale Filmproduktion!
Werden Bücher mittlerweile auch unter dem Gesichtspunkt, ob sie gut verfilmbar sind, eingekauft?
Eine Verfilmbarkeit oder eine anstehende filmische Umsetzung hat für unsere Programmplanung keinen ausschlaggebenden Effekt, bietet aber gutes Potenzial im Hinblick auf Marketing und die Ansprache unserer Zielgruppe. Wie das genutzt werden kann, steht aber – wie fast alle anderen Aspekte am Anfang eines Buchentstehungs-Prozesses – bei der Entscheidungsfindung noch in den Sternen. Glücklicherweise! Denn so bleiben wir in der Lage, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Geschichten über Abenteuer in anderen Welten, die man sich gut bildlich vorstellen kann, sind aber natürlich besonders reizvoll. Das ermöglichen sich allerdings auch schon Hörbücher oder Hörspiele. Beim Lauschen eines Textes entstehen Bilder im Kopf, wie auch beim Lesen von Büchern mit oder ohne Illustrationen. Der Text und seine Erzählweise müssen unsere Kund*innen begeistern, das steht weiterhin im Vordergrund.
Wann ist ein Buch gut für die Verfilmung geeignet?
Auch im Bewegtbild gibt es so viele unterschiedliche Erzählformen und Medien wie für Texte. Aus meiner Sicht sind aktuell aber eine globale, (landes)grenzenlose Eignung des Textes und dessen breites Identifikationspotenzial für ein breites Publikum und die filmische Umsetzbarkeit besonders relevant. Hier müssen wir bei der Analyse des Filmpotenzials auch einen Blick auf budgetäre Auswirkungen haben, wie z.B. den Bedarf von Animationen. Umso erfreulicher ist es, wenn das so hochwertig umgesetzt wird wie bei dem kommenden Kinoanimationsfilm über unser Erdmännchen "Tafiti" und seine Abenteuer in der afrikanischen Savanne – ganz ohne Menschen.
Was macht den von Ihnen vorgestellten Titel "Ruby Fairygale – Der Ruf der Fabelwesen" aus?
Auf den ersten Blick erzählt Rubys Geschichte davon, wie sie Tieren hilft. Neben Haustieren sind das auch magische Fantasiewesen. Sie stammen aus einer geheimen Welt, die voller irischer Mythen und Legenden ist und damit zum Träumen einlädt. Aber Ruby findet auch heraus, was sie so besonders macht. Als Gestaltwandlerin erlebt sie nicht nur fantastische Abenteuer, sondern begegnet auch der Frage nach sich selbst. Dabei wird ihr neuer Freund, ein anderes, gleichaltriges Kind auf der kleinen Insel, zu einer großen Hilfe. Noah, der aus den USA nach Patch Island geschickt wird, um in der Ruhe abzuschalten und verantwortungsbewusster zu werden, bekommt eine große Bedeutung. Er entdeckt, dass seine Wurzeln dort liegen, wo Ruby lebt. Sie aber erfährt, dass ihre wirkliche Familie in einer magischen Parallelwelt Zuhause ist. Auf der Suche nach ihren Identitäten verbinden sich Abenteuer und Magie in einem idyllischen Setting. Und Ruby gelangt mehr und mehr "zwischen die Zeilen" von Realität und Fantasie. Gerade jetzt, im Pandemie-Ausnahmezustand, sind viele Kinder fast ausschließlich unter Erwachsenen, denn Gleichaltrige stecken, genau wie viele von uns, im Lockdown und können Betreuungsmöglichkeiten oder Bildungseinrichtungen nur begrenzt nutzen. Ruby Fairygale auf ihrem Weg zu begleiten und in ihr Leben zwischen den Welten abzutauchen, ist aktuell deswegen besonders spannend. Rubys Portal in die magische Welt findet sich in der direkten Nachbarschaft. Die Leser*innen fragen sich also, ob sich ein Tor in eine solche Welt nicht auch in der Tierarztpraxis um die eigene Ecke befinden könnte? In der Geschichte von "Ruby Fairygale" fühlt sich dieses versteckte Tor in die verzauberte Welt für die große Fangemeinde besonders magisch an! Eine abenteuerliche, aber auch sehr berührende Schatzsuche, die auf jeden warten könnte.
Werden Sie auch in Zukunft an den "Shoot the Book!"-Veranstaltungen des Cannes Filmfestivals teilnehmen?
Sehr, sehr gerne. Das Pitching-Format von "Shoot the Book!" und sein internationales Netzwerk bieten beste Chancen für Literaturadaptionen von Werken unserer Autor*innen. Deswegen werden wir unser Portfolio auch in Zukunft auf geeignete Titel und Reihen prüfen, die sich für eine Bewerbung bei "Shoot the Book!" eignen, diese dann aufbereiten und anbieten. Wir werfen einen genauen Blick darauf, welcher Titel nach Cannes kann! Zu diesem so besonderen Festival kommen wir gerne wieder und tauchen ab in die Filmwelt, die während des Marché du Film eine absolut eigene Welt bedeutet.