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Spiele im Buchhandel: Mehr Sichtbarkeit für mehr Umsatz

Vom klassischen Brettspiel über Puzzles für alle Altersgruppen bis hin zu Exit Games – bereits seit mehreren Jahren werden Spiele immer beliebter. Und die Corona-Pandemie hat diesen positiven Trend weiter verstärkt. Gleichzeitig bleiben Potenziale in der Vermarktung ungenutzt, weil zum Beispiel fehlende einheitliche Produktkategorien die Sichtbarkeit einschränken.

Dabei können Anbieter wie Händler von den Erfahrungen der Buchbranche profitieren. Sie verfügt mit dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) über eine zentrale und umfassende Metadatenbank für Produktinformationen, die auch Non-Books wie Spiele abbildet und ihnen einen weiteren Absatzkanal eröffnet.

Im Interview mit Dr. Monica Wellmann haben wir darüber gesprochen, wie der Buchhandel und die Spielebranche von einer engeren Zusammenarbeit in Sachen Discoverability profitieren und das Cross-Selling ausbauen können.

Monica Wellmann

© Stefan Hoening

Liebe Monica, als Leiterin Marketing & Vertrieb des Geschäftsbereichs Digital beim Technologie- und Informationsanbieter MVB kümmerst Du Dich unter anderem um die Integration von Spielen ins VLB. Was bedeutet das?

In der Buchbranche sind wir in der glücklichen Lage, eine Million Produkte unterschiedlichster Hersteller über ein feingliedriges Handelsnetz überall in Deutschland über Nacht vor Ort verfügbar zu machen. Das kann ansonsten nur die Pharmabranche von sich behaupten.

Grundlage des ausgefeilten Logistiksystems sind unter anderem die ISBN zur eindeutigen Kennzeichnung eines Produkts sowie das VLB als neutrale, wettbewerbsfördernde Austauschplattform für die dazugehörigen Metadaten im deutschsprachigen Raum. Ich spreche dabei bewusst von Produkten, denn es geht nicht nur um Bücher. Auch buchhandelsspezifische Non-Books haben im VLB ihren Platz, darunter auch die Spiele.

Zusammen mit meinem Team bin ich dafür verantwortlich, dass möglichste viele Verlage und Produzenten sowie Handelspartner die Vorteile unseres Angebots kennen und natürlich auch nutzen.

 

Spiel und Buch, wie passt das zusammen?

Sehr gut! Denn beides sind Kulturgüter, die ein ähnliches Publikum ansprechen. Und sie bedienen ähnliche Bedürfnisse, sorgen zum Beispiel für Unterhaltung, lassen in andere Welten eintauchen oder fordern und fördern das strategische Denken. Spiele und Bücher sind geistige Nahrung, auf die wir nicht verzichten können und wollen – das zeigt sich gerade jetzt ja besonders deutlich.

Spiele und Bücher passen auch insofern gut zusammen, als dass es jeweils eine enorme Vielfalt an bestehenden Produkten gibt, die Jahr für Jahr durch eine große Zahl an Neuerscheinungen ergänzt wird. Es ist schwer, da den Überblick zu behalten – sowohl für den eigenen Bedarf als auch zum Verschenken.

 

Welche Spiele eignen sich besonders gut zum Verkauf in der Buchhandlung?

Es gibt zwei Perspektiven: Einerseits eignen sich Spiele im Taschenformat gut als Mitnahme- und Geschenkartikel. Denken Sie zum Beispiel an Kindergeburtstage. Andererseits lohnen sich hochwertige Spieleprodukte, die auf das eigene Sortiment zugeschnitten sind und die es nicht überall als Stapelware gibt.

Mit den Bestsellern, zum Beispiel dem jeweiligen Spiel des Jahres, lässt sich angesichts von Rabattschlachten im Einzelhandel vor Ort sowie bei den großen Online-Shops kaum Geld verdienen. Eine vielfältige Auswahl an Neuem und Unbekanntem hingegen öffnet nicht nur das Herz, sondern auch den Geldbeutel der Kundschaft.

 

Der Spielwarenfachhandel ist vom Rückgang betroffen: Wie wirkt sich das auf den Buchhandel vor Ort aus?

Gerade im ländlichen Raum bietet diese Entwicklung Chancen für den stationären Buchhandel, und zwar in erster Linie dort, wo sich kein größerer Super- oder Drogeriemarkt in unmittelbarer Nähe befindet. Denn die Über-Nacht-Verfügbarkeit vieler Spiele macht den Buchhandel als Bezugsquelle vor Ort interessant. Und auch in städtischen Lagen kann der Buchhandel vom Strukturwandel profitieren, da die klassischen Warenhäuser immer öfter als Verkaufsstellen von Spielen wegfallen.

Ein eigenes Spielesortiment setzt natürlich aber auch die entsprechende Expertise im Team für das Empfehlungsmarketing voraus. Wenn die Spiele im Laden dann auch noch zum Test zur Verfügung stehen und vielleicht sogar noch Spieleevents organisiert werden, dann schließt der Buchhandel nicht nur eine Versorgungslücke, sondern verfügt über ein attraktives Alleinstellungsmerkmal. Ein solches Community-Management stärkt die Kundenbindung ungemein.

 

Welche Rolle spielt Discoverability für den Absatz von Spielen?

Die Frage beantwortet die Spielebranche selbst: Sichtbarkeit wird großgeschrieben. Die Hamburg Games Conference 2021 steht unter dem Motto „Discoverability” und die Nürnberger Spielwarenmesse hat gerade für 2022 eine innovative Business-Plattform angekündigt, die die Live-Messe ergänzen soll: die Spielwarenmesse Digital.

Wie schon gesagt, das Angebot an Spielen ist groß und vielfältig. Deshalb sind Orientierungshilfen gefragt, mit denen sich die Sichtbarkeit an allen analogen und digitalen Touch Points erhöhen lässt. Denn nur Produkte, die sichtbar sind, finden auch den Weg zu den Käuferinnen und Käufern. Das beginnt bei allgemeinen Informationen wie Altersangabe, Spieleranzahl oder Spieldauer und geht über Gattungszuordnungen bis hin zu thematischen Klassifizierungen.

 

Wie will MVB die Sichtbarkeit von Spielen erhöhen?

Auf verschiedenen Wegen: Gerade haben wir die Möglichkeit geschaffen, im VLB weitere beschreibende Angaben zu pflegen und bewerben diese bei unseren Bestandskunden. Dazu gehören im ersten Schritt unter anderem Spieleranzahl, Spieldauer und Links zu Youtube-Videos, die beispielsweise eine Spielanleitung enthalten. Im nächsten Schritt sprechen wir dann die Anbieter an, die das VLB entweder noch nicht nutzen oder gar nicht kennen, weil sie bisher wenig oder keine Berührungspunkte mit der Buchbranche hatten.

Parallel arbeiten wir zusammen mit vielen Partnern – wie dem Institut für Ludologie, dem Spiele-Autoren-Zunft e. V. und dem Spieleverlage e. V. oder der Interessengruppe Produktmetadaten im Börsenverein des Deutschen Buchhandels – an Standards für die systematische Erfassung von Spielen. Denn Orientierung entsteht erst dann, wenn Produkte nach einheitlichem Prinzip kategorisiert werden. Da sind wir im Bereich der Bücher schon viel weiter. Unsere intensive Zusammenarbeit mit den internationalen Standardisierungsorganisationen seit vielen Jahren und unsere Erfahrung beim automatisierten Austausch von Metadaten sind wichtige Grundlagen für diesen Prozess.

Und nicht zu vergessen: Wir sprechen über das Thema. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für neue Umsatzpotenziale durch Cross-Selling auf beiden Seiten zu schärfen, in der Spiele- und in der Buchbranche.

 

Welche Aspekte aus der Verbindung von Spiel und Buch lassen sich auf andere Kreativbranchen übertragen?

Man muss den Blick weiten, denn Branchengrenzen spielen für Verbraucher in der Regel keine Rolle. Wir müssen die Bedürfnisse von Käuferinnen und Käufern in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Denn Menschen wollen intuitiv geleitet werden. Je leichter wir ihnen das machen, desto höher sind unsere Absatzchancen.

In der Buchbranche führen wir deshalb gerade den neuen Standard „Lesemotive“ (www.lesemotive.de(Öffnet neues Fenster)) ein. Auf neurowissenschaftlicher Basis macht die neue Klassifikation erstmals den emotionalen Zugang zu Büchern aus Kundenperspektive systematisch für die gesamte Buchbranche nutzbar. Denn sie bündelt die unbewussten Beweggründe, die zum Buchkauf führen. Es handelt es sich sozusagen um die dritte Dimension der Produktbeschreibung, zusätzlich zu den bestehenden Warengruppen und der thematischen Einordnung. Im Laufe des Jahres werden wir den Standard KI-gestützt ins VLB integrieren und damit der gesamten Buchbranche zur Verfügung stellen.

Voraussetzung für den Erfolg solcher neuen Ansätze ist eine breite Akzeptanz für gemeinsame technologische Standards, die die relevanten Informationen dorthin bringen, wo der Kunde sie braucht. Dafür brauchen wir den intensiven Austausch unserer Branchen.


Vielen Dank für das Gespräch, Monica!

(Das Interview hat Luisa Wagner von der Frankfurter Buchmesse geführt.)

VLB Spiele im Buchhandel

© MVB GmbH

Über das VLB

Das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) ist die zentrale Plattform für den automatisierten Austausch von Produktinformationen in der deutschsprachigen Buchbranche. Auf Basis globaler Standards, deren Etablierung und Weiterentwicklung das VLB maßgeblich prägt, versorgt das System den Handel und weitere Abnehmer mit optimierten Metadaten zu rund 2,5 Millionen Titeln aus mehr als 22.000 Verlagen. Unter der internationalen Marke Metabooks bietet die VLB-Technologie Verlagen und Buchhandlungen in Brasilien und Mexiko erstmals eine umfassende Infrastruktur zum einheitlichen Metadatenmanagement.
www.vlb.de(Öffnet neues Fenster)

Weitere Informationen zur Meldung von Spielen ans VLB: www.vlb.de/news/2021/neu-fuer-spieleverlage(Öffnet neues Fenster) 

Kontakt: Daniela Kahl, Key Account Managerin VLB (d.kahl@mvb-online.de)

Das Interview entstand im Rahmen des EU-Projekts Digital Cross Over.

Digital Cross Over Team

Das Interview ist Teil der Digital Cross Over Interviewreihe zu aktuellen Trends, Herausforderungen und Best Practises der europäischen Kultur- und Kreativindustrien.

Digital Cross Over wird unter der Leitung des IMZ International Music + Media Centre in Kooperation mit Ars Electronica, der Börsenvereinsgruppe, Centrica und izneo im Rahmen des Förderprogramms Creative Europe der Europäischen Kommission durchgeführt. Ziel des Projekts ist es, die aktuellen Herausforderungen für die Kreativ- und Kulturwirtschaft aufzuzeigen und zu erforschen: Wer bezahlt für die Inhalte, die von Kultur- und Kreativschaffenden erstellt werden? Wie erreiche ich meine Zielgruppe im digitalen Zeitalter und wie kann ich von Akteuren aus anderen Branchen lernen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen oder standen?

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