"Technologie kann tatsächlich helfen, Übersetzungen zu verbessern"
© Eivind Røhne
Ein Interview mit Margit Walsø, Direktorin von NORLA (Norwegian Literature Abroad) und Vorsitzende des Netzwerks ENLIT (European Network For Literary Translation). Die Frankfurter Buchmesse ist eines der Gründungsmitglieder.
Viele kennen Sie noch als Kuratorin des norwegischen Ehrengastprogramms auf der FBM19. Was sind Ihre Aufgaben bei ENLIT (European Network For Literary Translation)?
Ich bin seit Anfang an Mitglied von ENLIT, stellvertretend für NORLA, und seit 2020 bin ich Vorsitzende des Netzwerks, das 26 europäische Organisationen aus 23 Sprachen in dem wichtigen Bereich der Förderung von Übersetzung und literarischem Austausch versammelt. Uns verbindet die Arbeit mit Übersetzer*innen und das Übersetzen sowie unser Engagement, um unserer Literatur international mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Wir teilen unsere Erkenntnisse zum Nutzen aller, was einfach großartig ist. Ich hoffe, dass ich im Geiste des Teilens, der Zusammenarbeit und der Vielfalt zum Netzwerk beitragen kann.
Sie kommen gerade von der ENLIT-Generalversammlung - was war Ihre wichtigste Erkenntnis während dieses Treffens?
Nach unserer Sitzung zum Austausch Best Practices während der Pandemie bin ich beeindruckt und inspiriert von der Kreativität, der Innovation und den neuen Ideen, welche die verschiedenen Akteur*innen in den schwierigen Zeiten umgesetzt haben. Mit dem Einsatz digitaler Plattformen wurden viele neue Formate zur Förderung von Literatur entwickelt. Also z.B. Formate um die Autoren digital an das Publikum und die Leser heranzuführen, eine große Vielfalt an literarischen Genres zu fördern, Übersetzer*innen für Workshops zu versammeln und es möglich zu machen, sich mit Lektoren auf der ganzen Welt zu verbinden. Mir scheint, dass dies alles einen demokratischen Aspekt beinhaltet und unsere Erfahrungen neue Wege für die internationale Arbeit mit Literatur nach Corona ebnen könnten.
Erleichtert oder erschwert die Digitalisierung die tägliche Arbeit der Übersetzer*innen heute und in naher Zukunft?
Die Digitalisierung erleichtert die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch, der in der täglichen Arbeit von Übersetzer*innen so wichtig ist. In den NORLA-Webinaren für Übersetzer*innen haben wir z.b. jeweils einen kurzen Impulsvortrag eines Übersetzers aufgenommen. Eines der Themen war die Co-Übersetzung von Paul Russell Garrett. Es ist sehr interessant zu hören, wie die Technologie die Zusammenarbeit erleichtert und Übersetzungen tatsächlich verbessern kann. So können Listen mit ausgewählten Wörtern und Phrasen leicht aktualisiert werden, ein Text an einen Autor kann eine Frage schnell lösen und Videokonferenz-Tools ermöglichen es Übersetzer*innen, enger zusammenzuarbeiten – auch wenn sie weit voneinander entfernt sind.
Ich denke auch, dass die Digitalisierung uns gezeigt hat, wie wichtig echte Übersetzer*innen und ihre hervorragende Arbeit als Brückenbauer zwischen zwei verschiedenen Sprachen sind. Digitale Übersetzungen sind in größerem Umfang verfügbar und neue Tools helfen uns, Sprachen zu identifizieren und uns eine Vorstellung davon zu geben, was es in unserer Muttersprache bedeutet. Allerdings gibt es auch einige Beispiele für schlechte mechanische Übersetzungen. Die gründliche und literarische Arbeit von Übersetzer*innen ist immer noch das Allerbeste. Und das ENLIT-Netzwerk ist hier, um die Übersetzer*innen so gut wie möglich zu unterstützen.
Die Diskussion um die angemessene Übersetzung von Amanda Gormans "The hill we climb" zeigt uns, wie politisch aufgeladen das Thema Übersetzung sein kann. Was ist Ihre Meinung zu dieser Kontroverse?
Amanda Gormans Rezitation von "The hill we climb" während der Amtseinführung von Präsident Joe Biden hat mich persönlich bewegt und der ganzen Welt die Kraft und Bedeutung von Literatur und Poesie vor Augen geführt. Ich bin froh, dass die Diskussion ein Interesse an der Übersetzung von Literatur und der Rolle von Übersetzer*innen geweckt hat, die viel zu oft übersehen wird. Im ENLIT-Netzwerk sind wir täglich in Kontakt mit Übersetzer*innen, unterstützen und helfen ihnen bei ihrer Arbeit. Unsere Aufgabe ist es, deren Rolle und die Kompetenz zu stärken, damit sie besser für alle Aspekte ihrer Arbeit gerüstet sind.
Herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview führte Frank Krings(Öffnet neues Fenster), PR Manager der Frankfurter Buchmesse.